Sympathy for the devil |
Klarer Fall, wer so spektakulär aus gängigen Klischees ausbricht, hat gute Chancen, wahrgenommen zu werden. Doch glänzt die Coco nicht nur aufgrund ihrer avantgardistischen Erscheinung, auch das Baukonzept eröffnet neue Horizonte. Von einem anderen Stern ist die Coco nicht, auch wenn man dies auf den ersten Blick meinen könnte. Kreiert wurde sie vom deutschen Gitarrenbauer Ulrich Teuffel, einem Absolventen der Designschule. Die Coco kann man jedoch nicht einfach als Gestaltungs-Studie eines ausgeflippten Freaks abtun. Teuffel kann auf eine langjährige Erfahrung als Gitarrenbauer konventioneller lnstrumente verweisen. Angeregt durch sein Studium, ging er aber bald neue Wege. Sein Konzept hiess von nun an Design, kombiniert mit innovativer Funktionalitat. Erstes Resultat war die Birdfish, die bereits vor ein paar Jahren mit austauschbaren Holzresonanzkörpern, verschiebbaren Pickups und unglaublicher Optik für Erstaunen sorgte. Ulrich Teuffels neuester Coup ist die vorliegende Coco. Keine Frage, diese Instrumente sind qualitative Höchstleistungen, die bis ins kleinste Detall handgearbeitet werden. Bei der Coco werden alle Bestandteile mit Ausnahme von Tremolo, Mechaniken, Rollensattel und Federkralle in der eigenen Werkstatt hergestellt. Selbst das dazugehörige Gigbag aus Büffelleder ist handgemacht. Mehr als 50 lnstrumente pro Jahr sind so dann auch nicht zu schaffen. Die Coco vereint traditionelle Materialien mit neuartigen Werkstoffen. Das beginnt beim Korpus, der Birnenholz mit einem Laminat aus hochverdichtetem Epoxyd-Schaum und verschiedenen Faserwerkstoffen wie Glas-, Carbon,- und Baumwollfasern verbindet. Der Holzkern ist für die Grundresonanz zuständig, während das leichtgewichtige Epoxyd eine sehr gute Abstrahlung des Klangs ermöglicht und einen perkussiven Anschlag fördert. Ergonomisch ausgeklügelt zeigt sich das Shaping. Die völlig asymmetrische Linienführung ist in sich verrundet, und mir ist kein Korpus bekannt, der sich so an den Körper schmiegt. Ebenfalls aussergewöhnlich ist die Hals/Korpus-Verbindung. Zwischen den beiden Komponenten befindet sich ein Aluminium-Paßstück, das einen Masse-Schwerpunkt darstellt. Dadurch werden die Schwingungen von Hals und Korpus entkoppelt und eine schnelle, direkte Ansprache ermöglicht. Fixiert wird mittelszweier Inbusschrauben. Die Passung ist absolut fest und luftundurchlässig. Das nennt man dann: "Attack Neckjoint". Der einteilige Vogelaugen-Ahornhals weist eine Stratmensur auf. Durch die stark abfallende Korpusführung um den Neckjoint lassen sich die oberen Lagen spielend einfach enreichen. Aus optischen Gründen fehlen auf dem Griffbrett Bundmarkierungen, doch seitlich weisen dem Spieler schwarze Dots den sicheren Weg. Um die klanglichen Eigenschaften des Holz-Halses nicht zu sehr zu beeinträchtigen, wählte Uli einen äusserst dünnen Einstellstab aus VA-Stahl mit einem Durchmesser von nur 2,5 mm. Dadurch werden die Resonanz-Verhältnisse des Halses, welche für die Obertonfrequenzen entscheidend sind, kaum eingeschränkt. Die Coco präsentiert wohl die kleinste Kopfplatte der Welt. Als Verlängerung des Halses hat sie dadurch geringen Einfluss auf die Resonanz und kommt dem klanglichen ldeal der obertonreichen Headless-Halse ziemlich nahe. Die sechs LSR-Mechaniken fanden dennoch Platz. Diese ungewöhlichen Tuner arbeiten mit einem verschiebbaren Bolzen, der beim Drehen der Rändelschraube die Saite mit einem Lock-Mechanismus arretiert. Die Saiten verlaufen über eine LSR-Roller-Nut, die für ihre reibungsarme Funktion bekannt ist. Der dritte Beitrag zum Thema verstimmungsfreie Operation ist das WilLinson VS-100 Vibrato. Dieses lagert an zwei Messerkantschrauben relativ weit über dem Korpus und wurde ab Werkstatt mit einem Holzklotz in der Federkammer fixiert, so dass es sich nur abwärts bewegen lässt. Auch bei den Pickups geht Teuffel eigene Wege Vor einiger Zeit hat sich der Gitarrenbaumeister eine Spulen-Wickelmaschiene zugelegt, mit der er nun per Hand seine Optimalvorstellungen von Tonabnehmern wickelt. Diese Pickups sind geteilte Single Coils mit zwei Spulen, jeweils eine fÜr die Bass- und die diskantsaiten. Das Prinzip ist ähnlich dem Jazz Bass und agiert völlig brummfrei. Die großflächigen Kappen sind genau berechnet und weisen Schlitze auf, so dass die Klangausbeute ideal bleibt und die Pickups nicht pfeifen. Besonders raffiniert ist es, dass sich die Single Coils ohne grossen Aufwand verschieben lassen. lnnerhalb der grossen lnbusschraube für die Höhenverstellung erkennt man eine kleinere lnbusschraube, die diese Längsverschiebung ermöglichen. Ein Druckschalter wählt über einen Bypass jederzeit den Steg-Pickup an - die ideale Soloschaltung. Der Fünffachschalter funktioniert wie bei einer Strat, nur dass bei der traditionellen Anwahl des Steg-Pickups dieser mit dem Hals-PU kombiniert wird. Die speziellen Fade-ln-Regel-Knöpfe erlauben ein präzises Einblenden von Volume und Tone. Zusätzlich wurde der Volumenregler mit einem RC-Glied ausgestattet, um beim Retourdrehen Höhenverluste auszugleichen. Das E-Fach wurde mit Graphitlack behandelt. Der Deckel ist mit einer lnbusschraube am Korpus angebracht, und da sind wir bei einem weiteren Vorzug: Sämtliche Arretierungen an der Coco erfolgen über lnbus, und dieses Prinzip fixiert bombenfest. In bezug auf Handling und Bespielbarkeit muß man die Coco als kleines Ergonomiewunder einstufen. Zugegeben, eine gewisse Eingewöhnungszeit ist schon vonnten, das Spielgefühl ist einfach anders als bei herkömmlichen Gitarren. Im Stehen wird man mit perfekter Balance belohnt. Die kompakte Größe und das Shaping lassen den Spieler mit seinem lnstrument eins werden. Sämtliche Regel-Elemente sind so plaziert, daß sie gut zu enreichen sind. Volume und Tone lassen sich spielend mit abgespreiztem kleinem Finger bewegen. Greift man nach einiger Spielzeit zu einer normalen Gitarre, kommt einem diese wie ein sperriges Brett vor. Der matt lackierte Ahornhals vermittelt ein Griffgefühl der besonderen Art, wie ich es nur von Music-Man-Hälsen kenne. Der Querschnitt beschreibt ein volles "D" bei kräftigen Maßen und ist "wie Urlaub" für die linke Hand. Der akustische Klang der Coco zeigt sich laut und druckvoll. Differenziertheit und Durchsetzungsvermögen jeder einzelnen Saite sind auffallend gut. Das Frequenzspektrum wird präzise abgebildet und ist in sich ideal abgestimmt. Am besten unternimmt man folgenden Versuch. Man schlägt eine Saite an und legt das Ohr auf den Korpus. Der Ton entfaltet sich vollkommen rein und rund, bevor er dann gleichmässig abebbt. Soviel Klarheit deutet auf ein lnstrument hin, das die eigene Spielweise ohne Beschönigung überträgt. Durch die unterschiedlichen Materialien des Korpus wird das Schwingungsvermögen maximiert und eine eigene Nuance erreicht. Der Gitarrentyp, der den elektrisch verstärkten Sound am ehesten beschreibt, ist die Stratocaster. Zum Vergleich kam meine gut eingespielte 71 er Strat zum Einsatz. Die Coco steht dieser, was Wärme, Fülle und Lebendigkeit im Klangbild betrifft, in nichts nach. Sie agiert sogar noch präziser, ist obertonreicher und dynamischer. Je nach Position erklingen die Pickups mit Singlecoil- oder Soapbar-Charakter. lm Gegensatz zur normalen Strat sind die Coco-Tonabnehmer durch ihre spezielle Konstruktion brummfrei und "pfeifresistent". Im Zenrbetrieb zeigt sich die Coco der Strat voraus. Sie präsentiert sich voluminös, sustainreich und bemerkenswert differenziert. Für viele, die auf der Suche nach einem ganz besonderen Sonnd sind, könnte die Coco die Offenbarung sein. Satte, sahnige Leadsounds ohne den komprimierenden Charakter typischer Humbucker sowie ein frisches, offenes Klangbild sind ihre Stärke. Fazit Mit dieser außergewöhnlichen Gitarre stellt Ulrich Teuffel den konventionellen Gitarrenbau auf den Kopf. Traditionalisten mögen geschockt sein - in jedem Fall ist die Coco ein Meisterwerk der Designerkunst, ausgesprochen ergonomisch, mit hervorragendem Sound. Angesichts des ungewöhnlichen Konzepts ist der Preis gerechtfertigt. Die Optik und der perfekte Sound dürften einen unwiderstehlichen Reiz auf Profis und Individualisten ausüben. Wertung Charakter: Exclusiver Alleskönner Soundqualität: sehr gut Soundspektrum: sehr gut Verarbeitung: sehr gut Bespielbarkeit: sehr gut Ira Stylidiotis |
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